Als Reaktion auf den Ausgang der Wahl zum Europäischen Parlament und der Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Bad Grund hat der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Florian Panknin, die Niederlegung seines Amtes und den Verzicht auf seine Ratsmandate erklärt. Hier nimmt er zu seinem Entschluss Stellung:


"Ich gehe mit guten Absichten"

Die Welt, in der wir uns befinden, ist zunehmend komplexer geworden. Jeder bemerkt das an seinem eigenen Alltag und dessen Herausforderungen. Auch die ehrenamtlich in der kommunalen Politik Aktiven bemerken dies. Die lokale Politik lebt nicht in einer Blase sondern ist mittendrin im Geschehen und von den gleichen Herausforderungen betroffen, wie die Bürgerinnen und Bürger, deren Interessen sie vertreten. 

Die Kommunikation in der Kommunalpolitik verlief dennoch über viele Jahre sehr asymmetrisch: Vertreter wurden in die Räte gewählt, trafen dort Entscheidungen und am Wahltag befanden die Wählerinnen und Wähler über die geleistete Arbeit und die aufgezeigten Perspektiven und neue Räte wurden gewählt. Zwar gab es auf kommunaler Ebene immer auch den täglichen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern und begegnete man deren Wünschen und Sorgen mit einem offenen Ohr. Eine direkte Einbeziehung in die zu treffenden Entscheidungen erfolgte jedoch nicht - und wurde auch über lange Zeit nicht eingefordert.

Die Herausforderungen werden jedoch größer: Wir sind in den kommunalen Räten in den vergangenen Jahren von einem Großereignis direkt das nächste geraten - Umwandlung der Samtgemeinde in eine Einheitsgemeinde, Konsolidierung des Haushaltes, Gestaltung der Schullandschaft, Auswirkungen der Corona-Pandemie, Auswirkungen des Krieges in Europa. Dazu kommen gesellschaftliche Veränderungen, wie etwa die notwendige Anpassung der Kinderbetreuung, da sich das moderne Arbeitsumfeld grundlegend gewandelt hat. Noch dazu kommen umweltpolitische Veränderungen, wie etwa die Einbeziehung von Klimaschutz in die anfallenden Entscheidungen. Die Liste ließe sich fortsetzen. 

Es gibt ein Modell namens „VUKA", das solche Lagen in vier Begriffe fasst: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität. Diese Begriffe kennzeichnen unsere Lebensumstände und insbesondere die Faktoren Unsicherheit und Ambiguität sorgen dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger zunehmend in Entscheidungen einbezogen werden möchten, um diese zu verstehen und in ihr eigenes Lebensumfeld einordnen zu können. Eine starke Führung allein genügt diesen Anforderungen nicht, politische Entscheidungen müssen gemeinsam erarbeitet und transparent vermittelt werden.

Hier sehe ich Versäumnisse in der Bundes- und Europapolitik aber auch bei uns auf kommunaler Ebene. Entscheidungen werden - sicher mit den besten Absichten - getroffen aber die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich inhaltlich zunehmend weniger mitgenommen. Zum Teil, weil sie meinen, dass ihre eigenen Bedürfnisse keine hinreichende Berücksichtigung finden. Zum Teil, weil die Dichte der Entscheidungen mit großer Tragweite zunehmen und es ohne die Vermittlung der Entscheidungsträger schwerfällt, sie inhaltlich einzuordnen. Es braucht eine neue Form von politischer Kommunikation und ein Neudenken demokratischer Teilhabe gerade in der Kommune.

"Wenn die Wählerinnen und Wähler sprechen, ist es Aufgabe der Politik zuzuhören." 

Wir haben durch die zurückliegenden Wahlen die Gelegenheit zu erkennen, dass die Politik meiner Partei nicht den nötigen Rückhalt bei der Wählerschaft gefunden hat, um Mehrheiten zu gewinnen. Das gilt bei der Wahl zum Europäischen Parlament ebenso wie bei der Wahl des Bürgermeisters. Als Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Gemeinde übernehme ich die Verantwortung für die Wahlergebnisse vor Ort: Die tägliche politische Arbeit in der Gemeinde prägt maßgeblich das Bild der Partei und ihre Akzeptanz bei der Bevölkerung. Wo es an dieser fehlt, muss es eine Veränderung geben.

Braucht es dazu unbedingt personelle Veränderungen? Ich meine: Ja. 

Ein Wechsel in der Spitze ist ein eindeutiges Zeichen an die Bürgerinnen und Bürger, dass ihre durch das Wahlergebnis erkennbare Kritik an den Verhältnissen verstanden wurde. Bleibt alles beim Alten, droht ein „weiter so“ und das verhindert jede Weiterentwicklung. Ich kritisiere diese „Weiter-so“-Politik auf der Bundesebene meiner Partei scharf und wünsche mir dort Konsequenzen, die den Willen zur Veränderung erkennen lassen. Dann muss ich aber auch bereit sein, meinem eigenen Maßstab zu folgen und selbst Konsequenzen vor Ort ziehen.

Ich setze damit ein Zeichen für anstehende Veränderungen und ebne den Weg für eine Neuausrichtung der Politik meiner Partei in der Gemeinde. Ich hoffe, dass dies genauso verstanden wird, denn ich gehe nicht frustriert oder enttäuscht. Ich blicke auf viele Jahre in meinen Augen erfolgreicher Arbeit zurück, die ich gemeinsam mit vielen wunderbaren Begleiterinnen und Begleitern leisten durfte. Ich erkenne aber auch, dass nun Zeit für eine Veränderung ist und möchte dieser nicht im Wege stehen.

Deshalb habe ich den Rücktritt vom Vorsitz meiner Fraktion erklärt und verzichte zugleich auf meine Mandate im Rat der Gemeinde Bad Grund und im Ortsrat Badenhausen. Ich wünsche dem neuen Bürgermeister und den Kolleginnen und Kollegen im Rat alles Gute und gutes Gelingen bei der künftigen Arbeit. Es waren herausfordernde, spannende und produktive Jahre. Für die stets gute Zusammenarbeit in Rat und Verwaltung bin ich sehr dankbar. 

"Ich behalte viele schöne Erinnerungen an diese Zeit zurück."
 

Vielen Dank! - Ihr und Euer Florian Panknin